Die Weinkultur des Libanons ist noch relativ unbekannt. Dennoch werden libanesische Weine heutzutage immer mehr zu einem modernen Trend in der hochwertigen Gastronomie. Der Libanon, dieses kleine Land zwischen Syrien und Israel, zählt weltweit zu den ältesten Weinbaugebieten. Demnach die Weinkultur des Libanons auch eine der ältesten der Welt. Im antiken Byblos, einer der frühesten Siedlungen der Menschheit, wurden über 5.000 Jahre alte Reben gefunden. Doch vermutlich wird in der Levante schon deutlich länger Weinbau betrieben: Archäologen entdeckten das älteste erhaltene Weinrelikt der Welt in Syrien, nur 60 km von der heutigen libanesischen Grenze entfernt – eine Traubenpresse, datiert auf etwa 8.000 v. Chr..
“Weinreben im Bekaa-Tal”
“Weinberg mit Blick auf die Bekaa”
Stolz sind die libanesischen Winzer nicht nur auf ihre hervorragenden Erzeugnisse, sondern insbesondere auch auf ihre Wurzeln. Die die Weinkultur des Libanons hat sogar den Weinbau in Europa beeinflusst. Ihre wegbereitenden Vorfahren, die ebenso reise- wie handelsfreudigen Phönizier, brachten die ersten Reben aus dem südlichen Kaukasus (dem heutigen Georgien) und Anatolien ins Land. Dabei dürfte es sich um eine Vorläuferin der Chardonnay-Rebe gehandelt haben, der Vitis vinifera pontica. Die landwirtschaftlich versierten Levantiner hatten offensichtlich auch bei der Weinbereitung ein gutes Händchen – ihr Rebsaft wurde in vielen alten Schriften gerühmt. So finden sich z.B. im altbabylonischen Gilgamesch-Epos wohlwollende Erwähnungen, und gut ein Jahrtausend sang der Prophet Hosea im 8. Jh. v. Chr. ein Ruhmeslied auf den Wein der Region. Wiederum achthundert Jahre später hielt laut Bibel Jesus eine große Hochzeitsgesellschaft bei Laune, indem er wundersam Wasser zu Wein wandelte – zu jenen Zeiten gehörte das Gebiet des historischen Kanaan zum heutigen Libanon.
Nach den alten Griechen kamen die Römer in den Libanon – auch für jene spielte Wein eine bedeutende Rolle. Zu Ehren von Bacchus, ihrem Gott des Weines und des Rausches, errichteten sie im 2. Jh. n. Chr. einen monumentalen Tempel auf der noch heute atemberaubenden Anlage in Baalbek, dem einstigen Heliopolis. Dieser Bacchus-Tempel im Norden des Landes – übrigens der größte, der diesem lebensfrohen Gott je geweiht wurde – hielt bis dato etlichen Erdbeben und anderen historischen Erschütterungen stand. Viele bildhafte Schilderungen über Anbau und Konsum von Wein sowie Darstellungen üppiger Sinnesfreude zieren das gigantische Bauwerk, immerhin war Bacchus auch für die Fruchtbarkeit zuständig!
Im 7. Jh. breiteten sich zunehmend die Araber in der Region aus. Der Weinbau ging rapide zurück und war nur noch Juden, vor allem aber Christen gestattet. Äußerst beliebt bis ins Mittelalter waren die süßen Weine aus Tyros (heute Sur) und Sidon (Saida), zwei Städten im Süden des Libanon. Venezianische Kaufleute exportierten libanesische Weine in sämtliche Länder Europas – freilich konnte sich nur die betuchte Oberschicht die edlen Tropfen leisten. Schließlich blieb nach den Eroberungen durch die Osmanen ab dem 13. Jh. die Weinherstellung den christlichen Klöstern vorbehalten, wo die Mönche den benötigten Messwein erzeugten. So wurde im Libanon bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Wein nur noch in sehr geringen Mengen produziert.
Im Jahr 1857 schließlich wurde der moderne libanesische Weinbau eingeläutet – ein Jesuitenorden erbte ein 25 ha großes Stück Land in der Nähe von Zahlé. Die Patres bauten Reben an und nannten ihr Weingut „Ksara“. Nun kam der Weinbau in Gang: Der französische Ingenieur François-Eugène Brun begründete 1868 das Weingut Domaine des Tourelles. Während der französischen Mandatszeit von 1919 bis 1943 ließ der Bedarf der Besatzer die Nachfrage nach libanesischem Wein kräftig steigen. So beschloss der gelernte Schuhmacher Youssef Nakad in 1923, ebenfalls ein Weingut zu gründen: Bis dato hatte er, wie allgemein üblich, lediglich für den Privatgebrauch Arak hergestellt. Von dessen Qualität waren die Soldaten und Beamte jedoch dermaßen begeistert, dass Nakad beschloss, auch Wein unter dem Namen Chateau Nakad zu erzeugen. Im Jahr 1930 gründete Gaston Hochar dann „Château Musar“, heute eines der führenden libanesischen Weingüter. Insgesamt war bis 1975 der Konsum von Wein im Libanon sehr hoch, speziell bei den westlich orientierten christlichen Einwohnern, die seinerzeit über die Hälfte der Gesamtbevölkerung ausmachten (heute knapp 40%).
Mit Beginn des Bürgerkrieges änderte sich alles schlagartig – Produktion und Verbrauch gingen deutlich zurück. Michel de Boustros, Begründer von Château Kefraya, trotzte dem Geschehen jedoch: Ungeachtet allen kriegerischen Geschehens begann er in 1979 mit der Weinproduktion, gewann 1982 die erste internationale Medaille und nahm sogar den Export nach Frankreich auf – und Gaston Hochar von Château Musar tat es ihm gleich. Zwar wurden während des 15 Jahre andauernden Krieges die meisten libanesischen Weingüter zerstört, doch der Mut und der Erfolg der Herren de Boustros und Hochar wurden für viele Winzer zum Vorbild. In den 1990er Jahren erholte sich der Weinbau langsam. Es kamen ausländische Investoren ins Land, die das immense Potenzial dieser uralten Weinregion erkannten – auch sie steckten viel Geld und Engagement in die Modernisierung oder den kompletten Aufbau von Weingütern. In 2003 existierten im Libanon offiziell gerade einmal acht Weingüter, heute beläuft sich deren Zahl auf rund 50, Tendenz noch immer steigend.
Die gesamte Rebfläche beträgt etwa 2.500 ha – gemessen daran, dass der Libanon gerade einmal 10.452 km² umfasst, ist dies beträchtlich. Überwiegend erfolgt der Anbau in Höhenlagen von 900 m bis 1.800 m. Angesichts der klimatischen Bedingungen stellt die Weinbereitung oftmals eine große Herausforderung dar. Das größte Problem bereitet natürlich die Hitze – oftmals bleibt während der Sommermonate der Regen völlig aus, meist gibt es ab Juni kein Wasser mehr. Die tiefwurzelnden Reben halten bei etwa 280 Sonnentagen pro Jahr diesen Gegebenheiten stand. Im Winter liegt Schnee, im Durchschnitt einen Meter hoch, was die dringend benötigten Wasservorräte in den Böden auffüllt. Nässebedingte Rebkrankheiten treten hierzulande kaum auf, was durchweg naturnahes Anbauen erlaubt.
Ab Tagesanbruch, um die Morgenfrische zu nutzen, erfolgt die Lese. Die Ernte erfolgt in der Regel manuell, beginnt etwa Mitte August und dauert – je nach Höhenlage – bis in den November. Die Erträge liegen durchschnittlich bei nur 30 hl/ha, bei Spitzenweinen auch deutlich niedriger. Aufgrund des herrschenden Klimas sind Weißweine, überwiegend aus Chardonnay, Sauvignon Blanc oder Viognier vinifiziert, eher unterrepräsentiert. Im Libanon daselbst wird sehr gern ein erfrischender Rosé getrunken. Den Schwerpunkt bilden ganz klar die qualitativ hervorragenden, kräftigen und säurearmen Rotweine. Kultiviert werden von den führenden Weingütern vor allem Cabernet Sauvignon, Syrah und Cinsault, doch sind auch der italienische Montepulciano oder Touriga Nacional, eine autochthone Rebe Portugals, zu finden. Sonderlich viele einheimische Varietäten gibt es nicht im Libanon, nennenswert sind hier Meroué, Merweh – mit Sauvignon Blanc verwandt – oder der säurearme, fein kräuternotige Obaideh, eine Variante des Chardonnay.
Libanesische Weine werden seit Jahrzehnten bei allen internationalen Wettbewerben mit höchsten Auszeichnungen prämiiert. Doch bedarf unbedingt eine weitere Köstlichkeit des Landes der Erwähnung: nämlich der Arak, ein Anis-Schnaps, der gern mit Arrak, einem süßlichen Reisbranntwein verwechselt wird. Das Geheimnis eines guten Arak: die langsame dreifache Destillation. Arak stellt für die Libanesen eine Art Nationalgetränk sowie Heilmittel für und gegen fast alles dar. Traditionell reift er in großen amphorenähnlichen Tonkrügen, was ihn besonders rein und aromatisch werden lässt.
Seit 1995 ist der Libanon Mitglied der OIV, der Internationalen Organisation für Rebe und Wein. In der nationalen Winzer-Vereinigung Union Vinicole du Liban finden sich 23 Weingüter. Seit 2013 regelt das National Wine Institute sämtliche Angelegenheiten rund um die Weinerzeugung, wie z.B. die Festlegung geeigneter Rebsorten, die Qualitätsüberwachung sowie die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Geplant ist die Einführung eines AOC-Systems nach französischem Muster.
“Weinfelder in Kefraya”
“West Bekaa”
“Ernte bei Kefraya”
“Qanafar”
“Bekaa Ebene”
“Ernte”
Kommen Sie in den Genuss dieser exotischen Bergweine.